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Blasses Genie
Goya’s Ghosts von Milos Forman

Lebensgeschichten berühmter Männer haben es Milos Forman seit einiger Zeit angetan. In seinem neusten Film portraitiert er den spanischen Meistermaler Francisco Goya, und vollführt damit, nachdem sich in seinen letzten beiden Biopics mit Figuren der jüngeren amerikanischen Zeitgeschichte auseinandergesetzte hat, einen Sprung ins ausgehende achtzehnte Jahrhundert. Damit nähert er sich nicht nur zeitlich seinem grössten Erfolg, dem grandiosem Amadeus an, auch inhaltlich haben die beiden Künstlerportraits einiges gemeinsam: Wie in seinem Mozartfilm nimmt es Forman auch in Goya‘s Ghost mit den historischen Fakten nicht allzu genau. Bildete in Amadeus der fiktive Konflikt zwischen dem mittelmässigen Salieri und dem vulgären Genie Mozart den Mittelpunkt, so konfrontiert Forman seinen Goya mit dem verschlagenen Mönch Lorenzo.

Dieser Lorenzo, ein Kriecher und Eiferer vor dem Herrn zugleich, hat sich dem inquisitorischen Kampf gegen die Gottlosigkeit verschworen und überzieht das Land mit seinem Gottesterror. Ein unschuldiges Opfer dieser göttlichen Raserei ist die junge Ines (Natalie Portman), die keusche Muse Goyas. Obwohl Ines‘ Vater alles unternimmt, um seine Tochter freizukriegen, wandert das zarte Geschöpf für Jahre in den Kerker, wird dort von Lorenzo geschwängert und erblickt das Tageslicht erst wieder, als die Franzosen in Spanien einmarschieren und die Inquisition abschaffen. Lorenzo hat mittlerweile die Seiten gewechselt und predigt nun als hoher französischer Funktionär die Ideale der Französischen Revolution. Die in der Gefangenschaft schwachsinnig gewordene Ines lässt er schnell abschieben, die Suche Goyas nach ihrer – und seiner – Tochter hintertreibt er mit allen Mitteln.

Wie aus dieser Zusammenfassung ersichtlich, ist Goya‘s Ghosts so manches: ein Film über die Verbrechen der Inquisition, über die Greueltaten der französischen ‚Befreier‘, über Feigheit und Mitläufertum, aber kein Film über Goya. Der Maler selbst bleibt meist passiv, beobachtet, zeichnet, ist über weite Strecken hinweg unbeteiligter Chronist. Auch wenn er am Ende schliesslich Partei ergreift und sich für Ines einsetzt, wirkt er blass und uninteressant.

Zwar war schon bei Amadeus Salieri die eigentlich Hauptfigur, aus deren Sicht die Ereignisse erzählt wurden, der kindlich-geniale Mozart konnte ihr aber stets Paroli bieten. In Goya‘s Ghosts gelingt dies nicht. Während Javier Bardem seinen Lorenzo mit einer verschlagenen Zurückhaltung verkörpert, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt, bleibt Stellan Skarsgårds Goya unfassbar und vage. Wer je eines von Goyas Bilder gesehen hat, diese grotesken und schrecklichen Gestalten, aus denen so viel Hohn spricht, muss sich wundern über den Langweiler, den Forman nun präsentiert. Obwohl man Goya immer wieder bei der Arbeit sieht, bleibt der Künstler fremd, sein Antrieb und Innenleben verborgen.

Noch ein letzter Vergleich mit Amadeus sei gestattet: In seinem Mozartfilm konnte Forman das Werk seiner Hauptfigur gewissermassen unterstützend einsetzen; Mozarts Musik wurde dramatisch so geschickt in die Handlung verwoben, dass man von einer weiteren Hauptfigur sprechen konnte. Natürlich sind auch in Goya‘s Ghosts zahlreiche Bilder des Meisters zu sehen, diese unterstützen den Film aber nicht, sondern stehlen ihm vielmehr die Schau. Forman begeht den grossen Fehler, die Dinge doppelt zu illustrieren: Wenn die Franzosen Madrid stürmen, werden Filmszenen und Goyas Bilder gegeneinander geschnitten. Die berühmten Desastres de la Guerra Goyas sind in ihrer direkten Art aber so perfekt, so grausam treffend, dass Formans sorgfältige Bebilderung dagegen lau wirken muss. Bezeichnenderweise gehören die Titelsequenz und der Abspann, in der nur Gemälde Goyas zu sehen sind, zu den besten Szenen des Films.

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